Im Jahr 1985 verlässt Antje Leetz mit ihren beiden Kindern die DDR. Nicht in Richtung Westen – sie geht nach Russland, dessen Literatur sie liebt und wo sie Freunde hat. An einem Moskauer Verlag wird sie als Redakteurin arbeiten. Drei Jahre lang erlebt sie im Epizentrum von Glasnost und Perestroika hautnah den Aufbruch der sowjetischen Gesellschaft zu einer demokratischen Erneuerung. Vor allem in der Kultur beginnt eine bewegte Zeit: Verbotene Theaterstücke kommen auf die Bühne, wertvolle Manuskripte werden aus dem Giftschrank geholt, gedruckt und millionenfach gelesen, Filme, die lange auf Eis lagen, endlich aufgeführt.
Der kolumbianische Schriftsteller Márquez beschwört 1988 Gorbatschow: »Bringen Sie die Perestroika zu Ende, es ist wichtig für die ganze Welt.« Doch das ist nicht gelungen. Über das Land brach der harte Kapitalismus herein. Wieder fährt Antje Leetz nach Russland, nun als Rundfunkautorin. Sie schaltet das Mikrofon ein, nicht nur in Moskau und Petersburg, auch in der Provinz und auf langen Zugfahrten durch die russischen Weiten. Aus Sendungen für deutsche Rundfunkstationen entstanden dreizehn authentische Erzählungen über Vergangenes und Gegenwärtiges, über außergewöhnliche Menschen und die faszinierende russische Literatur. Und über die nicht enden wollenden Kriege …
»Antje Leetz hat eine wunderbare Art zu erzählen, in kurzen Sätzen mit reizvollen Anfängen. Alles fließt ineinander zu einem lebendigen Stil. Es entsteht Kino im Kopf: Man sieht die schweren Vorhänge in der Wohnung von Irina Ehrenburg, die die Bleistiftzeichnungen von Picasso und Matisse vor dem Tageslicht schützen. Die Speisen auf dem Tisch, den Samowar einst auf langen Zugreisen, die Museumsleiterin und ihre drei Kolleginnen im Sterbe-Bahnhäuschen von Tolstoi, die Gärtnerin auf Tschechows Grundstück in Jalta mit dem magischen schwarzen Stein in der Hand. Vielleicht wird das Buch ein viel gefragter Wegbegleiter, wenn der Krieg zu Ende ist und man sich wieder zaghaft suchend an die gemeinsame Geschichte Deutschlands und Russlands erinnert.« (Hartmut Sommerschuh)